Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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zahlen, verb.

zahlen, verb.,
numerare, solvere.
1)
das verbum, ahd. zalôn, mhd. zaln, in andern germanischen sprachen in ähnlicher form (vgl. unter zahl 1 sp. 36), ist der bedeutung nach ursprünglich von der schwesterbildung zählen, ahd. zellan aus zaljan streng geschieden: dieses das ältere gebilde, an den allgemeinen sinn des substantivs ahd. zala anknüpfend, daher zunächst einen bericht, eine darlegung machen, berichten, klar legen ausdrückend, wie das noch in erzählen th. 3, 1076ff. hervortritt; jenes von anfang ein jüngeres wort, das von der rechnerischen bedeutung von zala ausgeht und die beschäftigung mit der zahlen- und rechenkunst bezeichnet. im laufe der begriffsentfaltung beider worte sind übergänge entstanden, die durch den neueren sprachgebrauch wieder entfernt wurden (unten 2).
2)
zahlen in alter sprache rechnerisch ausführen, nach den regeln der zahlenkunst vor- oder darlegen: ahd. zalôn, calculum ponere, considerare numerum, numeros replicare, reputare Graff 5, 643; mhd. besonders gesagt von der beschäftigung auf der mittelalterlichen rechenmaschine, dem zalbrete (vgl.zahlbret 1, und den ersten beleg daselbst), daher dann allgemein wie zusammen rechnen, zählen: (David) det daʒ volg zalen und aneschriben durch alles sin künigrich d. städtechron. 8, 269, 19; die bistume die dise wyhebischofe hant, die zalet man nüt, wan sü das mereteil ligent in der heidenschaft 405, 17; (der beuteschreiber im feldzuge schwört) was ich beut, daʒ ich daʒ zalen (aufzählen, angeben) will, und waʒ ich waisz, daʒ ich daʒ melden wil getreulich und an alles geferde 2, 261, 21; auch wie zurechnen, zu etwas zählen: die vorgenanten zwene, Otho und Vitellius, die zalt men nüt zuͦ keysern, wan sü mit bosheit und falsche an das rich koment 8, 344, 20; in freierem sinne, wo das rechnerische zurücktritt, so dasz sich hier übergang in den begriff von mhd. zeln vollzieht:
hie von kumt inneclîch gedanc,
sô der vil süeʒe vogelsanc
der werlde ir liep beginnet zaln (darlegen, künden)
Trist. 121, 13;
welcher übergang auch formell nahe liegt, da das umlautlose prät. von zeln, zalte, sich vom prät. von zaln nicht unterscheidet. zahlen in der bedeutung von zählen noch im 16. jahrh. (vgl. auch erzahlen th. 3, 1076): ordenlich, unterscheidlich zahlen, dinumerare, zumal zahlen, connumerare Dasyp.; werden offt jhr kronen zahlen und rechnen wa sie die haben Fischart groszm. 131 (souvent conteront leurs escus Rabelais); der selbig (bauer) fand den pfaffen ein mal seine besen zalen Wickram rollw. 84, 10 Kurz; der pfaff fieng an und zalt seine besen 85, 10.
3)
die spätere und heutige bedeutung der erlegung einer summe, die zahlen hat, geht von der angeführten mittelalterlichen verwendung des zahlbrets aus, welches bei allen gröszeren berechnungen in anwendung kam, und vom gebrauche der rechenpfennige (th. 8, 344; vgl. auch zahlpfennig unten); von anfang an ist dabei das verbum als bezahlen (th. 1, 1792) häufiger im gebrauch als in einfacher form; baar herausz zahlen, adnumerare Dasyp.; zahlen, solvere Schottel 1446; ich zahle, solvo, persolvo, pensito Steinbach 2, 1067.
a)
intransitiv: nach und nach, sive under der hand zalen, commode, sensim, particulatim solvere Stieler 2251; er kan nicht zahlen, non est solvendo Steinbach 2, 1067; vor einen guten freund zahlen, pro amico dependere ebenda; zum voraus zahlen, richtig zahlen, für einen andern zahlen Adelung; ein kaufmann hört auf zu zahlen beim bankerott Campe; baar, in gold, in silber, durch anweisung zahlen; ich glaube nicht, dasz er zahlen kann J. Gotthelf schuldenb. 188;
jeder thut so viel er kan,
zahl ich nicht, so schreibt es an,
oder laszt es mahlen
Greflinger Seladons weltl. lieder (1651) 54;
der posten fand sich in der rechnung,
ich weisz, wir haben noch daran zu zahlen
Schiller 12, 72 (Piccol. 1, 2);
in freiem und bildlichem sinne: untreu trifft doch ihr eigen herrn, oder da sichs verzeucht, so zahlen endlich die erben Schuppius 833; ich will dir zahlen, wie du es um mich verdient hast, ego te, ut meritus es de me, tractabo; mit schlägen zahlen, rem pugnis solvere Steinbach 2, 1067; der acker zahlt gut, vater! sprach ihn Sabin an (vergilt reichlich die auf ihn verwendete mühe) Rosegger weltgift 264;
durch die flucht allein entging er seinem lohn.
doch, rache hab' ich ihm geschworen,
du sollst mir zahlen für ihn! da, sieh zu deinen ohren!
Wieland 5, 12 (Oberon 1, 35);
ich zahle dir in einem andern leben,
gib deine jugend mir,
nichts kann ich dir als diese weisung geben
Schiller 4, 28 (resignation);
treue läszt ihm keine wahl.
und so, des bundes general,
sah ihn der Rhein, sah ihn Westphalen,
mit scharfer münze klingend zahlen
A. v. Droste-Hülshoff gedichte (1873) 372.
b)
transitiv, mit sächlichem object, geld erlegen, darzählen zur lösung einer verbindlichkeit, auch mit persönlichem dativ; so in einem kauf- oder lohnverhältnisz: geld, eine rechnung zahlen; die höchsten preise für waaren zahlen; er zahlte ihm was er forderte; einem gehalt, lohn zahlen; baur, zahl den kosten Garg. (1590) 78; als die mesz vollbracht ward, fürt sy der pfaff ins wirthshausz, zalt die ürten Wickram rollw. 86, 6 Kurz; das geld baar zahlen, pecuniam reprœsentare Steinbach 2, 1067; dieser (bischof) liesz ihn (Hackert) auf mehrere monate nach dem landsitz Ivri kommen, um die schönsten aussichten nach der natur für ihn zu zeichnen und zu mahlen; welche arbeit ihm sehr gut gezahlt wurde Göthe 46, 122 Weim.; lady. mensch! was bezahlt dein herzog für diese steine? ... kammerd. gestern sind siebentausend landeskinder nach Amerika fort, — die zahlen alles Schiller 3, 393 (kab. u. l. 2, 2);
das ir ieder ainen aimer weins zahlen sol
fastn. sp. 610, 19;
sehin, ich bring dir ein mumschantz,
welcher heint dem andern zalt das glog
H. Sachs fastn. sp. 1, 70, 35 Götze;
Blinca kan die mahler-kunst, hat sich selbst gemahlet;
und jhr bild das bleibt jhr doch, obs gleich mancher zahlet
Logau 2, 128, 47;
(er) zahlt heilig gaukelspiel mit seinem gut mit freuden
Haller 149, 124 Hirzel.
warum erfüllete Satan dein herz, Ananias, dem geiste
gottes zu lügen, und dir von des akers silber zu nehmen?
dein war er, und du konntest ihn behalten; gezahlt war
auch das silber noch dein
Klopstock 5, 355 (Mess. 15, 628);
besorg' dir sie (die weste) neu!
und weil ich mich freu',
dasz sie mir zum beweise gegolten,
ich zahl' sie! sonst wirst du gescholten!
Göthe 1, 203 Weim.;
aber bringe mir auch ein leichtes kettchen, ich will es
dankbar zahlen
267;
wenn ich sechs hengste zahlen kann,
sind ihre kräfte nicht die meine?
14, 86 Weim.
in verstärkter bedeutung, so dasz der sinn des gut, reichlich zahlens heraustritt:
sag, das ist wol ein schöner al,
ich muͦst jn aber zalen wol,
der salm, der karpff, der hecht ist guͦt,
nur dasz mans so thewr geben thuͦt.
kein bessern hasen darff ich sagen,
hat man disz jar nicht sehen jagen,
den hat mir heimlich bracht ein pawr,
er nam jn aber zalt, der lawr
Grobianus 120 (v. 4149) neudruck;
in einem schuldverhältnis: der war inn das viert jar in einem hausz gesessen und hette noch nie kein zinsz darvon zalt Wickram rollw. 40, 23 Kurz; er zahlt die schuld, explicat solutionem, wer wird die schulden zahlen? quis aes alienum luet? Steinbach 2, 1067; seine schulden, einen wechsel zahlen, den zoll zahlen Adelung; zins, gefälle, abgaben, strafe zahlen;
entlehest vil auff borg und bitt
machst grosz geltschult und zalst jr nit
H. Sachs fastn. sp. 1 60, 205 Götze;
er sieht nicht was er ist, er denkt nicht was er war,
nicht an die dürftigkeit, aus der ich ihn gerissen,
an seine schulden nicht, die ich doch zahlen müssen
Göthe 9, 42 Weim.;
auch mit sächlichem subject: der weizen zahlt einen hohen zoll; und reflexiv: eine schuld zahlt sich leicht in raten; etwas zahlt sich schwer;
hier wo sich vergnügen
nicht mit silber zahlt
Herder 129, 288.
c)
zahlen mit persönlichem accusativ, einen zahlen, durch zahlung entschädigen, befriedigen: die werckheiligen, die sich her trollen, bringen yhre werck, ... dürffen zu gott sprechen: zall mich, als ob er ein trödler sei Luther 16, 400, 31 Weim.; der mir nicht vergibt (die schuld erläszt), der will zahlt sein Paracels. opp. 2, 237 A; wilt du mich zalen (spricht der wirth zu einem gaste), mit heil; wo nit, will ich mich den nechsten zuͦ meines gnedigen fürsten und herren von München secretarien verfügen: der selbig wird mir wol weg und steg anzeigen, damit ich zalt werd Wickram rollw. 95, 29 Kurz; so vermeinen des gemeldten erben vormünder, ihr mündel sei noch nicht gezahlt Schweinichen 2, 174; (du muszt ihn) sehr und hoch bitten, das er dich zahle Zinkgref apophth. (1626) 1, 385; so viel bringe ich nicht auf, so lange mich der andere nicht zahlen kann J. Gotthelf schuldenb. 188;
der meister dir geliehen hat,
das du solt zalen den gwandschneyder
H. Sachs fastn. sp. 1, 41, 145 Götze;
wer schuld mit schulden zahlt, thut selten alles gut,
der letzte, der jhm borgt, den zahlt er mit dem hut
(d. i. als bettelmann)
Logau 3, 27, 23;
wiewohl man ihn bei diesem hochzeitfest
(wie überall) die geiger zahlen läszt
Wieland 12, 87;
der weg ist weit, die hölle tief,
und ihre felsen steil und schief —
doch zalt mich ja ein könig!
Schiller 1, 253;
denn wer vermöchte wohl jetzt die arbeitsleute zu zahlen
Göthe 50, 212 Weim.;
in einer sprichwörtlichen wendung:
fällt kein geld, noch haberstroh,
ey so wil ich euch doch so
wie die mönche zahlen (d. i. mit dem segenswunsch
bezahl's euch gott!)
Greflinger Seladons weltl. lieder (1651) 54.
d)
auch dieses zahlen (b. c.) in freiem und bildlichem sinne, wie erstatten, vergelten, entsprechendenfalles auch in den begriff des büszens (bei schuld und übel) überschlagend: doch zalt in got pei dem pret (sogleich, baar, vgl. oben zahlbret und bret 7, th. 2, 376, d. h. er vergalt seine sünde) Aventin 1, 218, 16; die (bankerotte kaufleute) die kost es wenig, wann sie es (das gut) mit ander leut gut, oder mit fersengelt zahlen Garg. 79 neudr.; er soll mir zahlen die todesblässe auf diesen wangen! soll mir zahlen die vernichtung, die an diesem herzen saugt! soll mir zahlen die starren thränen, die an diesen augen hängen Klinger 2, 28;
ich wil sie lassen klaffen
und hin und wider gaffen,
sie werdent zalet feyn
Forster liedl. 27 (1, 38, 2) neudr.;
wenn sie (ehrlose buben) eins frommen mans behufen,
redens freundlich; er unverdrossen
hilfft jn; wenn sie sein han genossen,
mit untrew thun jhms wider zalen
B. Waldis Esop 1, 39, 29;
dasz wir dir zalen dein wolthat (vergelten)
J. Ayrer 2, 824, 31 Keller;
weil aber du thetst schlagen mich,
so will ich wider zahlen dich (auch schlagen)
3, 1815, 29 Keller;
so theur musz Thebe deinen golddurst zahlen!
Schiller 6, 144;
wohl denen, die des wissens gut
nicht mit dem herzen zahlen!
11, 260;
(sie werden) mit unsrer armuth ihre länderkäufe,
mit unserm blute ihre kriege zahlen
14, 312 (Tell 2, 1);
was ich mir gelobt
in jenes augenblickes höllenqualen
ist eine heilge schuld, ich will sie zahlen
390 (4, 3);
wann aber ein land und stad ihrer frommen obrigkeit vergisset und zahlet ihre erben mit teuffels-danck Schuppius 833;
der falschheit gibt für witz, wer dem gibt koth für gold
zahlt ihn mit eigner müntz, und zahlet wol die schuld
Logau 2, 171, 65;
mit unpersönlichem subject:
gar stark und immer zahlen
die blättlein ihren zoll
Spee trutzn. 93 Balke;
dann zieht sich auch der hirt in die beschneyten hütten ...
hier zahlt die süsze ruh die müh die er erlitten
Haller (1762) 40;
laszt die rechnung der tyrannen
anwachsen, bis ein tag die allgemeine
und die besondre schuld auf einmal zahlt
Schiller 14, 336 (Tell 2, 2).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1913), Bd. XV (1956), Sp. 44, Z. 19.

zählen, verb.

zählen, verb.,
declarare, computare, numerare u. ä.
1)
das verbum, dem gesamten germanischen sprachgebiet angehörig (vergl. unter zahl 1), ist seiner bildung nach bewirkungswort zu dem subst. ahd. zala, zunächst mit dem allgemeinen sinne einen bericht machen, berichten, von der bedeutung des darlegens, aufzählens auch in die des bloszen erzählens überschlagend. die formennähe beider verben bewirkt theilweise übergänge der bedeutungen, vgl. dazu unter zahlen 1; auch ist im mhd. zu zellen, zeln, das prät. vorwiegend ohne umlaute als zalte, part. prät. gezalt gebildet, welche formen sich noch bis ins 16. jahrh. halten: do man zalt von der sindfluesz fünfzig und dreihundert jar Aventin bayer. chron. 1, 91, 31; als man zalt nach Christi geburt neunhundert achtundvierzig jar 2, 269, 9; die har eures haubtes sind all gezalt bibel v. 1483 474ᵇ (Matth. 10, 30).
2)
zählen, gemäsz der bedeutung des subst. zahl 2, in der bedeutung bericht erstatten, geordnet darstellen, genaue kunde geben: daʒ evangelium zelit uns, daʒ unser hêrro Jesus Christus zuo den heiligen boton imo irweliti sibincig unta zwêni jungeron Müllenhoff u. Scherer denkm. 86 B, 1; Phisiologus zellit, daʒ diu âmeiʒe driu geslahte habe fundgr. 1, 32, 1;
thir zell ih hiar ubarlût: er was Kriste filu drût,
er was sînêr liobo: thes sîst thu mir giloubo
Otfrid 3, 23, 7;
ube mir got der guote   geruochet senten ze muote,
daʒ ich chunne reden,   also ich diu buoch hôre zelen,
sô wurde diu zala minnechlîch
genes. in den fundgr. 2, 10, 4;
mit acc. der sache, auch dat. der person:
iro ist filu thrâto,   therô druhtines dâtô,
joh managfalt ouh manne   al zi zellenne;
thoh willuh hiar nû suntar   zellen einaʒ wuntar
Otfrid 3, 23, 2. 3;
dû hâst kurzwîle vil,
der ich dir manege zelen wil,
dâ mite dû sîn (des kummers) vergeʒʒen maht
Hartmann 1. büchl. 674;
in die bedeutung des beschreibens, vorschreibens, bestimmens übergreifend:
sie (die weisen aus dem morgenlande) wurden slâfentê fon engilon gimanôtê,
in droume sie in zelitun   then weg, sie faran scoltun
Otfrid 1, 17, 74;
vater mîn, eʒ ist gezalt
über mich dîn gewalt.
swaʒ dû gebiutest, vater mîn,
daʒ sol nach dînen hulden sîn
g. Gerhard 4271;
oder auch des rügend vorbringens, darlegens:
swaʒ ir ûf die klœster zelt,
dâ habt ir zuo dehein reht
buch der rügen 1088 (Haupts zeitschr. 2, 76);
im ältern nhd. noch in dem abgeschwächten sinne vorkommend, der in erzählen (s. d.) bis jetzt lebt, vgl. auch verzählen, mhd. verzeln, niederd. vertellen: zellen, sagen, narrare, enarrare Maaler 514ᵃ; ich hab aber ... die ursach (einer belagerung) in einem alten geschrieben buͦch gefunden, die wil ich in jrem werd gleich bald hernach setzen oder zelen Franck chron. (1538) 219ᵃ;
wie ich hernach wol zellen will
Manuel weinsp. 3095 neudr.;
ein artzt ist gar ein glücklich mann,
was er berühmtes hat gethan,
das kan die zeit selbst sagen an:
sein irrthum wird nicht viel gezehlet,
dann wo er etwa hat gefehlet,
das wird in erde tieff verhölet
Logau 1, 83, 40;
was bey hofe wird gefehlet
das wird lange da gezehlet;
morgen denckt man kaum daran
was man heute wohlgethan
2, 96, 94;
wann er sein eignes lob
wie wider willen zehlt, so macht ers nicht zu grob,
er braucht bescheidenheit, gibt aber zu vermerken,
es stecke mehr im sack
3, 217.
3)
zählen, von der rechnerischen bedeutung des subst. zahl ausgehend, in mancherlei färbung des sinnes.
a)
allgemein mit zahlen hantieren, zahlen gebrauchen und gebrauchen können: numerare zeln, zellen, tzellen, niederd. tellen Dief. 385ᵃ; richtig, falsch zählen, vorwärts, rückwärts, laut, leise zählen; von eins bis zwanzig, bis hundert zählen;
weibern sind gebrechen
sonsten nicht zu rechen,
auszer wenn sie fehlen
und die manne zehlen
Logau 3, 235, 96;
dinumerat digitis, er zählets an den fingeren Dasyp.; an fingeren zelen, dinumerare digitis, supputare articulis, vollkommenlich zehlen pernumerare, nach eynander zehlen, enumerare, widerumb zehlen, renumerare ebd., man zalte in der alten ê an den vingern. des kunnet ir ungelêrten liute niht, wan eʒ ist der gelêrten vil, die es niht kunnent. man zelt also, sô sîn sehzic wirt, sô leit man den dûmen in die linken hant Br. Berthold 2, 193, 24; anders jetzt: man kann es an den fingern zählen, etwas geringes oder leichtes, vgl. abzählen th. 1, 156, herzählen th. 4, 2, 1224; wenn wir z. b. von dingen, deren es nur wenige giebt, sagen, dasz sie sich an den fingern zählen lassen; warum sollte man nicht von dingen, die fast einzig in ihrer art sind, im scherze sagen dürfen, dasz sie sich an der nase zählen lassen? (nach franz. choses qu'on peut compter avec le nez) Lessing 11, 654; als spiel: wir spielen zählens, sagte sie. nun gebt acht! ich geh im kreise herum von der rechten zur linken, und so zählt ihr auch rings herum, jeder die zahl, die an ihn kommt Göthe 19, 35 Weim.; als dumm gilt, wer eine niedrige zahlenreihe nicht zählen kann, drei, vier, fünf, sieben: ein narr oder kind, der nicht sieben zelen künde Luther 8, 95ᵇ (86ᵃ); stellet sich also sehr schwach, als kündte er nicht vier zehlen tischr. 300ᵃ; so einfältig, dasz sie nicht könnten drey zehlen Abraham a S. Clara Mercks Wien 184; er kan nicht drey zehlen, er weisz nicht, ob er ein mägdgen oder ein bübgen ist, il ne sait ni a, ni b, il est fort ignorant, il n'entend ni à dia ni à hurhaut Rädlein 1084ᵇ; er kan nicht fünf zehlen, dicitur de homine prorsus stupido, qui duo et tria colligere nequeat Stieler 2249; als ob er nicht bis drei zählen könne, so konnte dieser lump sich anstellen, und gerade damit fing er die meisten gimpel Polenz büttnerbauer 1, 36;
thut sam könn er nit fünffe zellen
Kohlrosz betracht. 64ᵃ.
b)
durch zahlen bestimmen, zur ermittelung einer summe eine zahlenreihe durchgehen; (er) fing nachher manchmal wieder an zu zählen und zu rechnen, und schien verdrieszlich, dasz die summen mit der casse nicht übereinstimmen wollten Göthe 18, 199 Weim.; ich musz zehlen, wie viel es heyrathen setze A. Gryphius (1698) 1, 832; mit sächlichem und persönlichem object: et numerabo eos, et super harenam multiplicantur. unde zello ich sie und ist iro mêr denne meregrieʒes Notker ps. 138, 18; di hâr ûweres houbites sint alle gezalt Behaims evang. buch, Luc. 12, 7; sihe gen himel, und zele die sterne, kanstu sie zelen? 1 Mos. 15, 5; ich wil dir wolthun, und deinen samen machen, wie den sand am meer, den man nicht zelen kan fur der menge 32, 12; wenn du die heubt der kinder Israel zelest 2 Mos. 30, 12; darnach solt jr zelen vom andern tage des sabbaths, da jr die webegarben brachtet, sieben gantzer sabbath, bis an den andern tag des siebenden sabbaths, nemlich, funffzig tage solt jr zelen 3 Mos. 23, 15. 16; zele das volck, das ich wisse, wie viel sein ist 2 Sam. 24, 2; wunder, die nicht zu zelen sind Hiob 5, 9; du hast schon meine genge gezelet 14, 16; wie köstlich sind fur mir gott deine gedanken? wie ist jr so ein grosze summa. solt ich sie zelen, so würde jr mehr sein denn des sands ps. 139, 18; gält zällen Maaler 514ᵃ; gelt zehlen, numerare pecuniam Stieler 2249; das volk zehlen, numerum copiarum inire ebenda; ich kan seine wohlthaten nicht zählen, beneficia ejus numerando percensere non possum Steinbach 2, 1065; in diesem gewölbe ... entdeckte Faust den edelmann vor einem eisernen kasten, in welchem viele säcke mit geld lagen, die dieser mit zärtlichen augen ansah, und hierauf in einen leeren das gold stück für stück zählte, das er Fausten abgewonnen hatte Klinger 3, 195; weil er sofort begann, die holzscheite ... innerhalb eines ungefähren quadratischen bezirkes zu zählen Keller 6, 11; gegenstände nach dutzenden, schocken, hunderten zählen, sie nach solchen abtheilungen gliedernd;
got hieʒ in ûf sehen   an den himel heiteren,
hieʒ in zelen die sterne,   die er sâhe nâhene oder verre
genesis in den fundgr. 2, 30, 8;
(ein terminierender mönch) gundt im dorf gar umbher gehn,
zelt häuser, liesz die schewren stehn
B. Waldis Esop 4, 22, 28;
wer schärft den ähren ihre spitz,
wer thut die körnel zählen
Spee trutznacht. 89, 126 Balke;
niemand hats gezählet gar,
niemand hat es ausgekreidet
ob auch zahl der tropfen war
167, 58;
wer zählt die gaben alle? wer?
zählt jemand auch den sand am meer?
ist jemand, der am firmament
die summe der gestirne nennt
Bürger 12ᵇ;
wer zählt die völker, nennt die namen,
die gastlich hier zusammen kamen
Schiller 11, 243 (kraniche des Ib. 91);
er zählt die häupter seiner lieben,
und sieh! ihm fehlt kein theures haupt
312 (glocke v. 227);
erstlich zählt' er der robben gelagerte reihen umwandelnd;
aber nachdem er alle bei fünfen gezählt und gemustert,
legt' er sich mitten hinein, wie ein hirt in die herde der schafe
Voss Odyss. 4, 411;
in freierem sinne, auf grund eines zahlenverhältnisses bestimmen, angeben:
der seine noht kaum zählen kan
Neumarck lustwäldchen s. 50;
o sage, wenn dir ein verhängnisz nicht
die lippe schlieszt, aus welchem unsrer stämme
du deine göttergleiche herkunft zählst
Göthe 10, 36 Weim. (Iphig. 2, 2).
mit angabe der wirkung:
zehlt immerhin, ihr kargen thoren,
die finger blau, das silber blanck
c)
in besonderen wendungen.
α)
von der uhr, der stunde: die art der Italiäner die uhr zu zählen Göthe 32, 341 Weim.; deutsche regenten haben in ihren italiänischen staaten schon die uns gewöhnliche art die stunden zu zählen eingeführt ebenda (in einem aufsatz: stundenmasz der Italiäner);
das flämmlein, so mich quälet,
noch bleibt in voller glut,
all stund, so viel man zählet,
michs je noch brennen thut
Spee trutzn. 7, 23 Balke;
besonders bei heftigem verlangen: du weiszest, mein vater zelet stunde und tag, und wenn ich einen tag zu lang auszen bliebe, so würde seine seele betrübt Tob. 9, 4; ich weis, das mein vater und mutter jtzund alle tag und stunde zelen, und sind meinet halben hoch bekümert 10, 10; schon wochenlang zählten wir die stunden Steffens was ich erlebte 1, 85;
schau ich zehle tag und stunden,
bisz ich selig werd' entbunden
Silesius heil. seelenlust 107 neudr.;
welche nacht des wartens ist vergangen!
wacht' ich doch und zählte jedes viertel
Göthe 2, 98, 13 Weim.
β)
zum behufe einer einschätzung, steuer: zählt könig Bisino eure rinderheerden nicht, die ich dort bei den hütten sehe? Freytag ahnen 1, 8; ahd.
sant er filu wîse   selbes boton sîne,
thaʒ sie erdrîchi zaltin
Otfrid 1, 11, 5;
bei kauf und bezahlung, von gekauften waren:
frau, wie gebt ir der zwifal ein schock?
die zelt mir her in mein rock
fastn. sp. 369, 26;
bei erlegung des geldes dafür: der frauwen das gelt zellen und bezalen, pecuniam mulieri omnem annumerare Maaler 514ᵃ;
kam in die stat in ain wirczhaus,
as suppen, zug sein gelt heraus
zelet das auf dem tisch allein
H. Sachs fab. 2, 203, 47 Götze;
ich gib gut pfenbert, gute eln,
bin trew im rechnen und im zeln,
bin schlecht und gerecht im geltlösen
dessen fastn. sp. 1, 88, 182 Götze;
münze
... die man aufs bret nur zählen darf
Lessing 3, 89, 357;
ganz in den sinn von auszahlen übergegangen: es ist bos gelt zelen ex vacuo loculo Luther 27, 274, 7 Weim., variante gelt zelen aus leren (ledigen) taschen; (er) sagte: es wäre die verehrung zu wenig; wir schickten derowegen unsern furirer wieder zurück und lieszen ihm noch 12 thaler zehlen und also befriedigen pers. reisebeschr. 1, 16; auch uneigentlich, von verabreichung einer anzahl schläge: ich lasse jedem von euch 500 schläge auf den bauch zählen Kotzebue dram. w. 1, 190; sie ... zählten ihnen schwere schläge auf den rücken Freytag 17, 220 (bilder 1); vgl. dazu auszahlen th. 1, 1022.
γ)
bei zutheilung: und nach seiner reinigung sol man im zelen sieben tage. und wenn er wider hinein zum heiligthum gehet ... so soll er sein sündopfer opffern Hes. 44, 26.
δ)
in älterer sprache auch bei scheidung in theile: ipsi haben gezelt den tag ynn vier teil Luther 29, 248, 14 Weim.; zwolff gulden jeden zu 15 batzen getzelt Lennep lands. 2, 57 (von 1565).
ε)
silben zählen, in der metrik, takt zählen, in der musik: kritiker, die ja so gut sylben zählen, und skandiren können Herder 5, 189; man wird vom zählen (des musikalischen taktes) allein ganz confus Gutzkow ritter v. geiste 2, 314.
ζ)
an einem magern kann man die gebeine, die rippen zählen: ich möcht alle meine beine zelen, sie aber schawen und sehen jre lust an mir ps. 22, 18; darümb mus man dem esel das futter höher legen ... das man im die rieben zelen möge Luther 28, 653, 24 Weim.;
ir (einer frau) pfärt gein kumber was verselt:
man het im wol durch hût gezelt
elliu sîniu rippe gar
Parz. 256, 18;
ich möcht zelen all mein gepain
H. Sachs 18, 103, 24 Keller-Götze;
o die natur, die zeigt auf unsern bühnen sich wieder,
splitter nackend, dasz man jegliche rippe ihr zählt
Schiller 11, 150 (xenien 396).
vgl. auch: man würde seine zähne durch seine backen zählen Göthe 45, 4, 28 Weim. (nach dem franz.: on compterait ses dents à travers ses joues).
η)
der geizige zählt die bissen in den hals, mund: wiewol ir mir schir die bissen in den hals zeelet, darzw ir mir doch nichts gibet Luther 27, 410, 34 Weim.; darümb wil man jtzt predigern jr unterhaltung nicht geben, wenn man sie sol ernern, so zelet man jnen die bissen brots ins maul 28, 371, 11; aber von einem kargen filze, küssen- und druckenpfennige oder nagenranft, der nicht gerne essen sihet und zehlet einem die bissen in hals, redet jederman übel Mathesius Syrach 2, 46ᵃ; wenn ihm (dem gaste) ein jedweder bisse in den mund gezehlet und jedes wort aus dem munde aufgefangen und beigeleget wird, so wird ihm wohl kein gericht recht schmecken können Scriver andachten (1721) 421, vgl. zuzählen; auch von anderem:
madame giebt mir (dem mopse) manchen kusz,
manch schmätzchen, dem kein nachdruck fehlet.
mir kommen sie im überflusz,
dem manne werden sie gezählet
Hagedorn 2, 28.
θ)
sonst sprichwörtlich oder in bildlichem oder uneigentlichem gebrauche: der wolf friszt auch die gezählten schafe Simrock sprichw. 641; meine mutter möchte mich gern in activität haben, sagst du: das hat mich zu lachen gemacht. bin ich jetzt nicht auch activ? und ist's im grunde nicht einerlei, ob ich erbsen zähle, oder linsen? alles in der welt läuft doch auf eine lumperei hinaus Göthe 19, 56 Weim.;
man soll die stimmen wägen und nicht zählen
Schiller 15², 457 (Demetrius 481);
und wenn er nun heimeilt, und nicht erwarten kann, die ganze summe seiner freuden vom gesicht dieser tochter herunter zu zählen 3, 488 (kab. u. l. 5, 4).
d)
zählen, von der angabe einer summe auf grund der einzelzählung; auch hier in mancherlei festen verbindungen.
α)
das land zählt zwei millionen bewohner; diese stadt zählte noch vor kurzem nur wenige tausend einwohner; die schule zählt hundert schüler; fürs fünfte zähltest du zu Brie bei dem pächter 40 stück hornvieh auf 1500 scheffelsaat genutztes land Möser phant. 1, 246; an gezählten köpfen hundert sechzehntausend sechshundert vier und sechzig 243; (es) wurden damals 19 684 wohnungen gezählet ebd., anmerkung; von den zwanzig bataillonen, welche die brigade im ganzen zählte L. Häusser deutsche gesch. 4², 253;
noch viele heimliche verehrer zählt
der römsche götzendienst auf dieser insel
Schiller 12, 452 (M. Stuart 2, 3).
β)
in bezug auf lebensjahre: er zählt bereits siebenzig jahre; ich zähle neunzehn jahre wie das jahrhundert Göthe 43, 41, 13 Weim.;
ein schönes kind, das mit dem nächsten lenzen
erst sechzehn zählt
Wieland 12, 125 (Klel. 1, 316);
kaum zähltest du acht jahre,
als du sein angesicht zuletzt gesehn
Schiller 12, 101 (Piccol. 2, 3);
ich zählte zwanzig jahre, königin, ...
als mich die unbewingliche begierde
hinaus trieb auf das feste land
417 (M. Stuart 1, 6);
freier:
das röcklein, das du trugst, war grün
und zählte schon sehr viele lenze
Heine 2, 189.
γ)
einem bald sterbenden sind die lebenstage gezählt, summe und ende derselben sind erreicht: auch Waldemars tage waren gezählt Dahlmann dän. gesch. 1, 307; aber so ergieng es dem groszen redner öfter und besonders in seiner letzten zeit. denn an dieser stehen wir, seine tage sind gezählt gesch. der franz. revol. 358;
meine tage sind
gezählt, befürcht ich, und ich achte mich
gleich einer sterbenden
Schiller 12, 407 (M. Stuart 1, 2);
gezählt sind deine
lebenstage, Atta Troll
Heine 2, 389.
δ)
in der zeitrechnung, von einer erreichten summe der jahrzahl; in älterer sprache: meine liebe mueter starb an ainem kind da man zalt nach Christi unsers lieben herrn gepurt 1401 jar d. städtechron. 5, 122, 4; darnach als man zalt 1407 jar 123, 1; diese rechnung hat verschiedene ausgangspunkte: die Juden zählen die jahre von erschaffung der welt, die Moslems vom tage der flucht Mohammeds; die maurerische zeitrechnung zählt vielfach von der erschaffung der welt als anfangstermin handbuch der freimaurerei 2 (1901) 577ᵃ; von einem tage an zählen, auch bei andern gelegenheiten der zeitrechnung: das künigreich zue Jerusalem, von David an zue zelen, (hat bestanden) vier hundert vier und sibenzig jar Aventin bayr. chron. 1, 275, 8; diese sitzung machte der ruhe der oberstatthalterin ein ende: von diesem tage an zählen die Niederlande alle stürme, die ohne unterbrechung von nun an in ihrem innern gewüthet haben Schiller 7, 170.
4)
zählen, rechnerisch überschlagen, schätzen, in anschlag bringen auf grund einer zahlenunterlage: welîh iuwer ist, ther wolle turra zimbrôn, nibi her êr sizenti zele thiu gifuoru, thiu thâr nôtthurft sint, oba her habêt zi gifremenne? Tatian 67, 12 (computat sumptus Vulg., uberschleget die kost Luther Luc. 14, 28); computare zelen Dief. 138ᵇ. diese im eigentlichen sinne untergegangene bedeutung bildet die grundlage zu einer reihe freier und bildlicher verwendungen.
a)
nach eigenschaft, werth, würde in anschlag bringen, schätzen, ansehen; in älterer spr. mit bloszem acc.:
nû bigin uns redinôn,   wemo thih wolles ebonôn,
wenan thih zelles âna wân (für wen du dich ansiehst,
hältst)
Otfrid 3, 18, 36;
oder mit für:
ich bin für einen guoten fischer gezalt
und bin wol zwei und sibenzig jare alt
Orendel 624 Berger;
wer hübsch kan reden und wol geparn,
den zelt man selten für ainn torn
H. Sachs fastn. sp. 729, 27;
wenn wer der zeit nit ir recht thut,
den zelen di weisen fur ainen gauch
734, 30;
zu aller herrschafft man mich (den reichthum) welet,
dich armut man für nichte zelet
3, 220, 29 Keller;
wo sie in solchen sachen fählen,
wer will sie dann für glaubhafft zählen
Fischart groszm. 141;
Thais wünscht gestreckt zu sein unter erde von drei elen:
was für erd? ein mensch, ein mann, läst sich auch für erde zehlen
Logau 3, 66, 53;
neuer mit als: die reservearmee ... war kaum mehr als eine stütze zu zählen für das geschlagene hauptheer L. Häusser deutsche gesch. 3², 13; — auch ohne vermittelnde verbindung:
war umb er (gott) Jacob hat erwelt,
und nit Esau im glich gezelt
Brant narrensch. 57, 44;
und das all wiszheyt diser welt
ist gegen got eyn dorheyt gzelt
107, 8;
(ein könig) der auf dieser erden
an weisheit und gerechtigkeit
kan recht der erst gezählet werden
b)
statt für oder als mit der präp. zu: und an seine (des Deutschen) bescheidenheit gewöhnt, zählt es ihm auch weder der Engländer noch der Franzose zum verdienst Klinger 11, 106;
habt ir mich zu einem hundt gezelt
Hätzlerin 196, 126;
wer nimpt ein weib umb gut und gelt,
der ist zu einem löffel zelt
Murner narrenb. 33, 8 neudr.
c)
besonders häufig in neuerer sprache auf einen oder etwas zählen, einen oder etwas bei rechnung, bestimmung, voraussicht eines künftigen sicher veranschlagen, im wechsel mit auf einen oder etwas rechnen, vgl. th. 8, sp. 354: zählst du so gewisz auf deinen genius? Klinger 5, 312; auf dich ist gezählt Göthe 12, 66 Weim.; das hab ich euch nie gesagt, dasz ich unter der hiesigen garnison meine vögel habe, auf die ich zählen kann, wie auf meine höllenfahrt Schiller 3, 91 (Fiesko 3, 4); der herr geheime commissionsrath dürfen auf mich zählen Kotzebue kleinstädter 4. act, 12. sc.; ein ergebener papst, auf den man zählen konnte Ranke päpste 1, 270;
die götter brauchen manchen guten mann
zu ihrem dienst auf dieser weiten erde.
sie haben noch auf dich gezählt
Göthe 10, 28 Weim.;
zählt auf mich!
Schiller 12, 467 (M. Stuart 2, 5);
sie zählt auf euch,
so minder wird sie anstand nehmen, sich
den schein der gnade vor der welt zu geben
480 (2, 9);
Stauff.: so kalt verlaszt ihr die gemeine sache?
Tell: ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst ...
Stauff.: so kann das vaterland auf euch nicht zählen,
wenn es verzweiflungsvoll zur nothwehr greift?
14, 292 (Tell 1, 3);
(wenn er) den fehler begangen hätte, seine neigung auf einen verdienstvollen mann zu werfen, so kann man darauf zählen, dasz er bald genug von seinem irrthum zurück kommen ... würde Wieland 33, 22; wahrhafte tugend, auf die der besitzer und andre zählen können Klinger 12, 193; ich zäle auf ihre verschlagenheit, marschall Schiller 3, 433 (kab. u. l. 3, 2); ein glücklicher erfolg ist ihr (der weisheit) gewisz, und sie kann auf beifall und bewunderung zählen, sobald sie in ihren geistreichen planen eine rolle für barbarey, habsucht und aberglauben hat 8, 54; ich zähle drauf dasz du heute mit mir essen ... wirst Göthe IV 6, 331, 4 Weim.; er war ein junger mann, der noch auf das glück zählte Ranke werke 1, 65; auf das reich war nicht mehr zu zählen 222; dieser fürst, der noch auf Trier und Brandenburg zählen konnte 260; sie zählten auf die macht der ausgewanderten, auf die erhebung ihrer partei päpste 1, 291; wie konnte man also hier auf sammlung und ruhe zählen? L. Häusser deutsche gesch. 3², 15; bei der persönlichkeit Friedrich Wilhelms III war darauf zu zählen, dasz er dieser verheiszung treu bleiben werde 57; nur mit Sacken hatte sich Blücher persönlich verständigt und durfte auf seinen beistand zählen 4, 277; auf starke zuzüge war mit sicherheit nicht zu zählen 297;
ihr zählet, seh' ich, mehr auf meine ruhmbegier,
als euern reiz, den apfel zu erlangen
Wieland 11, 47 (urteil des Paris 402);
(sie hatten) Palerm (wo Sinibald auf eine erbschaft zählt)
vor kurzer zeit zum aufenthalt erwählt
12, 137 (Klelia und Sinib. 3, 9);
auf ihren beistand wird gezählt
12, 156 (4, 333);
nur halb ist der verlust des schönsten glücks,
wenn wir auf den besitz nicht sicher zählten
Göthe 10, 177 Weim.
5)
zählen mit hervorhebung der ordnung, wie bestimmen, anordnen, einweisen; in älterer sprache mit ze:
die ze briester sind gezahlt (ordiniert),
die hânt der zwelfpoten giwalt
daʒ si mit dem gotes worte daʒ si bredigent,
die sundær bindent und erledigent
H. v. Melk erinnerung 99;
(Christus) der iu ze herscher ist gezelt
Barl. u. Jos. 69, 24;
wer nu ze vröuden ist gezalt (wer für freude bestimmt ist),
der wirt gewert
wes er begert,
von des liehten meien zît
minnes. 1, 345ᵇ Hagen;
auch ohne ze:
nû habent si mich gezalt (als papst eingewiesen, spricht der h. Silvester),
ich habe enphangen dîn (Peters) gewalt
kaiserchron. 10545;
mit prädicativem adjectivem zusatz, besonders in den verbindungen ledig zählen, los zählen, als ledig oder los erklären: diser Euilmerodach im ersten jar seiner kaiserlichen verwaltung zelt ledig obgenanten Joachin, etwan künig zu Jerusalem, seiner gefenknus Aventin bayr. chron. 1, 289, 26; der kaiser hat ... all christen entschuldigt und ledig gezelt von allem bösen geschrai, rechten und sazungen, so über si gieng derafter und ausgangen warn 878, 10; alle undertanen sein irs glübs (gelübdes) ... ledig gezelt worden 928, 23; versperr mir die nicht, die gott ledig zelet (d. h. behalte sie nicht im kloster) Luther 15, 138, 37 Weim.; dadurch gewann er (ein feindlicher oberst) dergestalt nach und nach, dasz ich nicht wieder nach Soest gangen wäre, wann schon er mich dahin lassen und meines versprechens ledig zehlen wollen Simpl. 1, 312 Kurz;
und in erbat,
das er ihn ledig zelt der band
H. Sachs 2, 124, 26 Keller;
ich wil euch gern zwen gulden geben,
doch mich der brodtwürst ledig zelt (befreit mich von der verpflichtung, euch bratwürste zu geben),
darob mein fraw so dückisch helt,
ich dörft jr keine rüeren an
dessen fastn. sp. 4, 47, 307 Götze;
so zehlete fürst Heinrich alsbald des andern tages in offenem brief alle der herrschaft unterthanen deren ihm geleisteten eide und pflichten ledig und los Henneberger (1599) 217; dasz es gewisse regeln giebt, von denen man sich nicht loszählen kann, ohne sich dem urtheil der welt auszusetzen Wieland 24, 56; forderungen, wovon die Abderiten ihren günstling Hyperbolus so gütig los zählen 19, 87; weitere belege unter los th. 6, 1174; mit andern adjectiven: ist es das du dyn dienst fürbas wol dienest, so will ich dich schier fry zelen Stainhöwel Äsop 56; sy bitten für die erschlagenen, die sy heylig zölen und für marterer achten S. Franck weltb. 98ᵇ;
Aurella geht und beichtet offt, dasz man sie from soll zehlen
Logau 3, 242, 135.
6)
andere anwendung von zählen mit berücksichtigung des reihenverhältnisses, das in zahl liegt (vgl. zahl 4); innerhalb einer reihe schätzend herausheben: entsprossen aus einem hause, das von den frühesten voreltern an bedeutende, würdige und tapfere ahnherren zählt Göthe 36, 303 Weim. häufiger, mit entsprechenden präpositionen, in einer reihe unterbringen, einordnen:
a)
einen, sich selbst zu etwas zählen: den daʒ umpillich dunche, daʒ man christen zuo den tieren zelle, zuo lewen unt ze trackin, unte ze aran, unt zuo andern tieren, die wiʒen daʒ, sô man guotiu dinch meinet, sô bezeichenent si Christ fundgr. 1, 36, 24; ich wil euch zelen zum schwert, das jr euch alle bücken müsset zur schlacht Jes. 65, 12; ein ritter ..., der auch wol zu den besten zu zehlen war buch d. liebe 94ᵃ; mit den lieben ihrigen, wozu ich fräul. v. Staff zähle Göthe IV 31, 188, 20 Weim.; mancher gelehrte und angesehene mann zählte sich zu den bekennern (des christentums unter Diocletian) Freytag 17, 216 (bilder 1); dieser mann wird zu den vornehmsten kreisen des landes gezählt;
er ist zen wîsen niht gezelt,
der gallen für daʒ honig welt
liedersaal 3, 48, 863;
drum darf sich keiner auf der welt
zu den gerechten zählen
dich selbst nun zähl' ich heute zu den meinen
Platen 1, 149.
b)
einen, sich selbst unter etwas zählen: seind nit wirdig, getzelt zu werden under die törechtigen junckfrawen Luther 10, 3, 355, 4 Weim.; wie ist er nu gezelet unter die kinder gottes? weish. Sal. 5, 5; wir thüren uns nicht unter die rechen oder zelen, so sich selbs loben 2 Cor. 10, 12 (ἐγκρῖναι ἢ συγκρῖναι griech., dômjan aiþþau gadômjan goth.); mit unter die andern gezählt werden, in numerum aliorum venire, er zählt ihn unter die gelehrtesten leute, eum in numerum virorum doctissimorum refert, er zählt dich unter seine feinde, hostium numero te habet Steinbach 2, 1065; wenn ich ihn unter diese buszfertigen sünder zähle Liscow 365; unter die gelehrten einen zehlen, in numerum virorum doctorum aliquem habere, einen unter seine freunde zehlen, in numero amicorum aliquem habere Frisch 2, 468ᵃ; anderwärts möcht' ich eine quelle suchen, aus der ich einen besondern adel schöpfte und nicht unter die wahnhaften edelleute gezählt würde Göthe 29, 74 Weim.;
doch wenn wir dich unter uns zählen sollen,
so muszt du das schönste, das beste wollen
6, 67 Weim.
c)
mit andern präpositionen:
der tiuvel virlôs den sînin gewalt,
wir wurdin al in vrîe gezalt (unter die freien eingereiht):
in der doufe wurde wir Cristis man
Annolied 68;
wer daselbst wil alles tadeln, wo er nichts hat zu befehlen,
diesen kan ich nicht verwehren in die jecken-zunfft zu zehlen
Logau 3, 187, 80;
man musz sie bei die keck- und aller schönsten zehlen
D. v. d. Werder Ariost 1, 70, 1;
der himmelsfürst, der richter aller seelen
wird ihn mit ernst mang die verdampten zählen
Neumark poet. u. mus. lustwäldchen 7;
ein jeder ist monarch in seines hauses pfälen;
es sey denn dasz sein weib sich neben jhn wil zehlen
Logau 1, 71, 82;
ich weisz nicht, ob ich fehlte,
wofern ich Dreszdens wehrt ihm (Venedig) an die seite zehlte (reihte, setzte)
7)
zählen, auch in bedeutendem sinne, als vorragend, beachtenswerth rechnen, wie einen rechnen th. 8, 351: der ist nicht zu zählen, gilt nicht; krum kan nicht schlecht werden, noch der feil gezelet werden pred. Sal. 1, 15; tödte, raube, schweige, damit du ein wesen werdest, das die menschen zählen Klinger 6, 166;
des bösen bleibt nicht viel, wenn wir es also zählen
Uz poet. werke 2 (1768) 82;
schüler macht sich der schwärmer genug und rühret die menge
wenn der vernünftige mann einzelne liebende zählt
Göthe 1, 311 Weim.
8)
zählen in passivem sinne, gezählt, gerechnet werden, gehört erst der neueren sprache an und ist entfaltet
a)
nach oben 6: so zählt doch die schlacht vom 23. august zu den wichtigsten ereignissen dieses jahres L. Häusser deutsche gesch. 4², 258; noch viele andere zählen zu Alkuins akademie Freytag 7, 334 (bild. 1); deszhalb allein schon wird er stets zu meinen liebsten hausfreunden zählen W. Raabe Horacker 101; auch er zählt unter meine liebsten freunde.
b)
nach oben 7, in bedeutendem sinne, einer, etwas zählt, bildet eine werthzahl: in der vollständigen, anthropologischen schätzung, wo mit der form auch der innhalt zählt Schiller 10, 282; papieradel zählt ja in deinen augen nicht Ebner-Eschenbach 4, 57;
einzelne wenige zählen, die übrigen alle sind blinde
nummern, ihr leeres gewühl hüllet die treffer blos ein
11, 184;
und wenn der einzelne dir herz und geist
und arm und leben fröhlich opfern wollte,
in solcher groszen menge zählt er nicht,
er musz vor dir und vor sich selbst verschwinden
Göthe 10, 262 Weim. (nat. tochter 1, 5);
vgl. auch unter mitzählen th. 6, sp. 2432.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1913), Bd. XV (1956), Sp. 47, Z. 39.

zehle, f.

zehle, f.,
rotw., rippe, seite des körpers, gew. zehlke, f.: J. K. v. Train Chochem. 136ᵃ. —
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1927), Bd. XV (1956), Sp. 443, Z. 29.

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„zehle“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zehle>.

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