Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

reif, reifen, m.

reif, reifen, m.
circulus.
I.
formales. das wort ist gemeingermanisch: goth. raips in skaudaraips, altn. reip, ags. râp, altfries. râp in silrâp, ahd. reif, mhd. reif, mnd. reip, rêp, rêpe, nl. repe, engl. rope, dän. reb, schwed. rep, finnisch raippa Thomsen 164. Fick² 839 vergleicht nach J. Grimm die glosse reipus der lex salica, vgl. kl. schr. 2, 197. Kern die glossen der lex. sal. 115, und in der ausgabe von Hessels § 221. dem goth. raips entspricht griech. ῥαιβός gekrümmt. ahd. und mhd. flektiert das wort durchaus stark. im nhd. haben sich neben den starken flexionsformen schwache entwickelt, welche ihrerseits wieder ein nom. der reifen mit dem genitiv des reifens hervorgetrieben haben; indessen sind diese bildungen verhältnismäszig jung. im älteren nhd. finden sich selten schwache formen:
ein hund ler ich durch reifen springen.
Murner narrenbeschw. 176 Gödeke;
die starken sind reichlich bezeugt: alle seulen umb den hof her, sollen silbern reiffe und silbern kneuffe und eherne füsse haben. 2 Mos. 27, 17; und macht an jglichem knauff zwo riegen granatepffel umbher, an einem reiffe, da mit der knauff bedeckt ward. 1 kön. 7, 18; das new fasz .., welchs hielte der fuder zwentzig siben, welche im recht die reyff antriben. Fischart Garg. 57ᵇ; ein gut würthshausz bedarff keines reiffs. Phil. v. Sitt. 1, 45. in der neueren sprache hat sich der gebrauch im allgemeinen entschieden, die schwach flectierten singularformen für faszreifen und ähnliches zu nehmen, mit dem stark flectierten reif dagegen den ring, das diadem zu bezeichnen; indessen ist bisweilen das verhältnis gerade umgekehrt: es war ein knall, als ob dem himmelsfasz ein raif gesprungen wäre. Schiller räuber 2, 3;
der reifen, der den finger sanft umschlieszet,
wenn auch von gold, ist sinnbild einer kette.
W. v. Humboldt ges. werke 6, 607;
der starke plur. die reife klingt uns weniger vertraut: so viel ich beurtheilen kann, sind auch die reife von einerlei weite, grösze und gehalt. Thümmel reise 3, 356, und wird daher gern durch den schwachen ersetzt:
noch einmal sei der goldenen reifen bestimmung.
Göthe 40, 334 (gegen den goldenen reif vorher).
II.
bedeutung.
1)
die älteste bedeutung ist funis, strick, tau, welche im nd., nord. und engl. die einzige blieb, ahd. reifa funes Graff 2, 426; das nach schifferart ringförmig zusammengelegte tau:
wen, dô er traf den stadin
und man ûzgewarf den reif.
Jeroschin 19269;
reif funis in einem glossar von 1482 bei Lexer mhd. wb. 2, 387. nach Jacobsson 3, 387ᵃ ein bestimmtes tau, durch welches das segel gehisst wird. vgl. auch reifschläger.
2)
die meszleine, ein altes längenmasz, in Niederdeutschland etwa zehn ellen, besonders zum messen der leinwand und des tuches: welk unser ghildebrodere hedde unrechte mate edder un echten reep hefft .. de schall et boten. stat. d. kaufm. gilde in Goslar bei Schiller-Lübben 3, 463ᵇ. Jacobsson 3, 387ᵃ. auch oberdeutsch war der reif als längenmasz von zehn ellen im gebrauch; vgl. Tobler appenz. sprachsch. 358ᵃ. Schmeller 2, 65. Lexer mhd. wb. 2, 387. da man das brennholz in der weise zu messen pflegte, dasz man es mit einem strick oder einer kette von bestimmter länge umspannte, finden wir reif und rep auch als holzmasz. Schmeller a. a. o. Schiller - Lübben a. a. o., dann auch in der bedeutung bündel überhaupt, z. b. ein reif froschschenkel. Schmeller a. a. o. ebenfalls in dem sinne von meszleine erscheint reif in der verbindung einen reif legen, d. h. das land in bestimmtem umkreis zum eingraben eines schachtes oder stollens abgrenzen. weisth. 4, 795. 2, 797.
3)
ein kreisförmiges band, das um etwas gelegt wird.
a)
die hölzernen oder eisernen bänder um tonnen:
die reife brestent harte schier
von starkem wîne.
wälscher gast 897;
dô truoc er sîne reife
und sînen tribelslagen.
G. v. Neifen 44, 30;
den liebsten bulen den ich han
der ist mit reifen bunden.
Uhland volksl. 584;
er wird so lange an den reiffen klopffen, das eins mals dem fasz der boden ausspringen möcht. Luther 6, 7ᵃ; sonst wird die müncherey, beide spund und boden, mit dauben und reiffen verlieren. 26ᵇ; laszt uns nun eben auffsehen, das wir nit die reiff für den wein rümen und annemen. Franck weltb. 124ᵃ;
mag dan auch ein weinfasz halten, welches keine reiffe hat?
J. Grob versuchg. (1678) 26;
die reifen antreiben, s. 1, 505; ebenso die reifen klopfen:
do fieng er an zu klopfen
die reif, die er do trib.
Böhme altd. lb. 594;
und schlug lustig mit dem schlägel auf die reifen eines fasses. Freytag soll u. haben 93; sprichwörtlich sagen die böttcher: der reif bestellt das feld nicht, wenn derselbe nicht dicht an den nächsten herangetrieben ist; der reif schreit, wenn er knackt. Jacobsson 7, 54ᵇ. sonstige ringförmige, zusammenhaltende bänder, z. b. um kanonenrohre; die radschiene: der eiserne reif wird auf den boden gelegt. Göthe 28, 42; reifen um guszformen: die formen werden gemacht von gutem laimen, mit haar und scheerwollen wol geschlagen, mit eysern raiffen und banden wol versehen. Böckler kriegsschule 155;
solt ich iemer mit raifen gân beslagen.
kaiserchron. 390, 12;
einen reif von rostgem eisen
trägt er um den leib geschirrt.
Uhland ged. 288;
übertragen:
(got) umb alle wîte ein ganzer reif.
MSH. 2, 359ᵃ;
ach, die eisernen reifen, mit denen mein herz eingefaszt ist, treiben sich täglich fester an. Göthe an frau v. Stein 1, 169;
so übt natur die mutterpflicht,
und sorgt, dasz nie die kette bricht,
und dasz der reif nie springet.
Schiller 11, 67;
sie redeten von den zersprengten kreisen,
die all er wie ein mächt'ger reif geeint.
reif aus fischbein oder rohr in reifröcken:
kein neidischer reif,
kein schleppender schweif
versteckt dein .. füszchen.
Weisze kom. opern 3, 223.
bei Maaler ein ringförmiges band zum formen des käses. ein blecherner rand zum einfassen von mehlspeisen und ähnliches Amaranthes frauenzimmerlex. 2831.
b)
reif zum spielen: den reifen fangen, treiben, schlagen, werfen, durch reifen springen u. a.; mit reifen tanzen. Schmeller 2, 64;
und vom stabe geschnellt fing sich am stabe der reif.
Geibel ges. werke 5, 101.
c)
faszreifen, als markt- oder wirthshauszeichen ausgehängt: der taverner stôʒet ûʒ einen reif zuo einem zeichen, wenne er wîn verkoufen wil. myst. 2, 451, 23; einen reiff aufstoszen bei Schmeller 2, 64 aus einer quelle von 1400; den reif ausstecken: er steckt den reifen aus, weil kein bier mehr im keller ist. Simrock spr. 453;
der steckt den reiff vergebens ausz,
der keyn wein hat in seinem hausz.
Murner schelmenz. 38ᵃ;
wie daselbs gemeynlich ein reyff, oder ein grüner krantz, oder ein kan aushengt. Fischart bienenk. 83ᵃ; sy steckend einen reiff und meyen usz als habind sy wyn im keller. S. Franck 2, 103ᵇ; sprichwort: ein gutes wirtshaus bedarf keines reifes.
d)
eine art von sturmkränzen, aus tannenreifen bestehend, die mit brennendem werg umgeben und mit explosionskörpern versehen sind. Adelung. vgl. Eggers kriegs-lex. 1, 1057 unter sturmreifen.
e)
um zu verhindern, dasz der fusz in den schnee einsinke, befestigt man in gebirgsgegenden reifen unter den füszen. Schmeller 2, 563: und so sie (die murmelthiere) denn schlaaffen, gehen die weydleut auff reiffen uber den schnee hinzu. Stumpf (1606) 610ᵃ. Stalder 2, 268.
f)
der stirnreif, das diadem, das zeichen fürstlicher macht: dieser goldne reif spricht dich um das vorrecht, schwach zu seyn. Klinger 2, 18;
soll vielleicht im schimmer goldner raifen,
götter, euch die kühne hymne greifen.
Schiller 1, 341;
zwar hat der ahnen würdiges verdienst
die goldnen reife längst geflochten.
Göthe 13, 314;
was ist dies,
das gleich dem spröszling eines königs aufsteigt,
und auf dem kindeshaupt den reif, das zeichen
der herrschaft trägt?
Shakesp. Macb. 4, 1;
drauf irr' ich, wie ohn' stab und reif,
ein könig, welchen man vertrieben.
den geschlossenen reif eines titularfürstenthums. Freytag soll u. haben 23.
g)
der fingerring, in gehobener sprache: auf einmal sprang der goldne reif mit gewalt vom finger. Göthe 23, 103;
doch auch die hoheit darf das schöne schmücken,
der goldne reif erhebt den edelstein.
Schiller braut von Messina v. 631;
ein rosenrother stein im goldnen reif.
Uhland ged. 172;
die lieb ergreift die goldnen reifen,
sie, die das höchste darf ergreifen.
4)
eine ringförmig um einen gegenstand sich herumziehende erhöhung.
a)
zur zierde an säulen, an den alten geschützen (Frisch 2, 104ᵇ), an geräthen, gläsern: zwenzig seulen auf zwenzig eheren füszen, und ehrne kneuffe mit iren reiffen von silber. 2 Mos. 27, 11; und es waren an iglichem knauff oben auff der seulen sieben geflochten reiffe, wie keten. 1 kön. 7, 17. die reifen an einem paszglase, vgl. 7, 1496; reifglas, ein groszes glas mit erhobenen reifen. Voss 6, 371.
b)
eine ringförmige anschwellung an der krone des pferdehufs, vgl. ringbein.
c)
vom haarkranz des geschorenen mönchshauptes: (der meermönch) hât ainen swarzen reif umb daz haupt ob den ôrn, reht als der reif ist von dem hâr, den die rehten münch habent. Megenberg 239, 7.
5)
in übertragenem sinne überhaupt etwas kreisförmig gestaltetes oder gedachtes:
so um den teich der weihe gleitet,
so wölfe um der hürde reif.
von der bahn der himmelskörper:
der sunnen langen ummesweif.
des mânen zirkel unde reif.
Elisab. 209;
sliezen in der arme reif.
Willeh. von Östr. 57ᵇ bei Lexer mhd. wb. 2, 387ᵃ;
item darnach freitag nach pfingsten zu mittag da war ein groszer raif umb die sunnen. d. städtechron. 11, 587, 20; das ist der welt lauff in irem reiff und kreis. Luther 3, 235ᵇ;
(der tiger) schlägt mit dem schweif
einen furchtbaren reif.
Schiller 11, 228;
er steht bewegungslos,
geklemmt von ihres leibes reifen.
6, 359;
nun wiederum in weiten reifen
sie (die töne) spürend durch die gegend schweifen.
6)
als technische bezeichnung: bergmännisch die bügel, mit welchen die wände eines schachtes ausgekleidet werden, s. reifschacht. die kürschner nennen reifen die seiten am fuchsbalg. Jacobsson 7, 54ᵇ. in der schlosserei heiszt reif der erhobene rand des schlüssels, so wie das runde eisen am eingerichte eines schlosses, um welches der reif des schlüssels sich dreht. a. a. o. 3, 387ᵃ; ferner ein ungewisser gang, welcher beim drehen des schlüssels durch den einschnitt des schlüsselbartes hindurchgeht. a. a. o. 7, 54ᵇ. weidmännisch ist reif der erhobene ring, welcher die fährte eines hirsches umgibt, wenn derselbe mit der hinteren schaale genau in die vordere tritt.
7)
bisweilen tritt reif in die bedeutung von riefe ein (s. d.) und wird im sinne einer gerade gezogenen furche oder rille gebraucht, z. b. von den kanneluren der säulen: an den säulen selbst fing man an mit stäben in den reifen bis an das drittheil derselben. Winckelmann 1, 408; und endlich drehete man die reifen spiralmäszig. 409.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1890), Bd. VIII (1893), Sp. 619, Z. 38.

reifen, m.

reifen, m.
circulus, s. reif.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1890), Bd. VIII (1893), Sp. 628, Z. 44.

reifen, verb.

reifen, verb.
1)
von reif circulus gebildet. im mhd. reifförmig biegen. Lexer mhd. wb. 2, 387; nhd. mit reifen versehen: eine tonne reifen; ein gereiftes glas soviel als reif-, paszglas; ein gereifter helm, ein helm, der vorn mit einem gitter zum schutz des gesichts versehen ist. Frisch 2, 104ᵇ.
2)
für riefen, wie reif für riefe, reifeln für riefeln, mit längenfurchen versehen, gereifte säulen.
3)
in der schlosserei die scharfen kanten an der groben schlosserarbeit abfeilen. Jacobsson 3, 387ᵇ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1890), Bd. VIII (1893), Sp. 628, Z. 45.

reifen, verb.

reifen, verb.
mit reif überziehen, bedecken, riffen algere Diefenbach 22ᵃ, pruinare 469ᵃ. nov. gl. 307ᵇ; ryfen, ryffen, reyffen, rewffen brumare 82ᵇ; reifen pruinare Stieler 1585; mhd. rîfen in berîfen; ahd. mangelt ein beleg, ebenso im ags. und goth.; nd. ripen, nld. rijpen. neben diesem verbum sind gleiche und ähnliche bildungen von dem stamme hrîm im hoch- und niederdeutschen sprachgebiete ausgegangen. vgl. oben reif pruina neben nd. rîm. nld. rijmen; het riimpt, brumet (d. i. pruinat). Schiller-Lübben 3, 482ᵇ; ostfries. rîmen, rûgrîmen (rauhreifen) ten Doornkaat-Koolman 3, 43ᵇ; rimen in veränderter bedeutung vom schaumüberzug des bieres. brem. wb. 3, 494; gleiche und ähnliche bildungen im hd.: das reimeln an der paum esten. Megenberg 85, 22; alsô bereimelt ainem menschen auch sein part oder hâr. 85, 27; reimeln, an-, bereimeln, bereimen, verreimen. Schmeller 2, 93; kärnt. reimen und reinen vom ziehen des nebels, thauen, reifen. Lexer kärnt. wb. 206; tirol. an-, be-reimen, mit reif überziehen. Schöpf-Hofer 546. vgl. ags. behrîman bereifen; engl. it rimes, dän. det rimer es reift. gewöhnlich wird reifen nur unpersönlich gebraucht: es reift, es hat gereift; wenn es also drey oder vier wochen vor Michaelis reifft, so glauben sie, dasz die mayfröste denen weinbergen schaden würden. ökon. lex. 2637 sprichwörtlich: wenns auff dem berge gereiffet hat, so ist es im thal all erfroren. Henisch 1510. vgl. Wander sprichwörterlex 3, 1632; wolan las schneien, reiffen, und frieren. Luther 5, 468ᵇ. im bilde:
bisz es um deinen schlaff wie schnee und silber reiffe.
im persönlichen gebrauch:
weil der winter wieder reiffet,
sauset, prauset fort für fort.
Homburg Clio (1642) L 1ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1890), Bd. VIII (1893), Sp. 628, Z. 54.

reifen, verb.

reifen, verb.
(vgl. reif maturus), reif werden und reif machen. reiffen, ryffen maturescere; ryffen maturere; riffen maturire, maturare Dief. 352ᵃ; reyffen, reyff und zeytig werden maturescere Maaler 331ᵇ; mhd. rîfen reif werden; ahd. rîfjan, rîfên, garîfjan, garîfên, garîfôn maturescere Graff 2, 498; alts. rîpôn; ags. rîpian; nd. rîpen Dief. a. a. o.; ndl. rijpen. die conjugation ist die schwache; aber der Tiroler dialekt hat ein starkes part. geriffen gebildet Schöpf 546. in bezug auf das umschriebene prät. führt Steinbach 2, 248 nur ich habe gereifet an; Adelung 3, 1366 bemerkt, dasz sowol sein als haben zur umschreibung verwandt werde. uns ist nur gereift sein geläufig. indessen denkt man sich das reifen der pflanzen auch als eine art thätigkeit, wie das blühen und welken. Grimm gr. 4, 160:
ein ähre hat gereiffet,
der winter zwier gestreiffet
die blätter von den baumen.
Birken bei Gödeke deutsche dicht. 1, 350ᵃ.
bedeutung.
I.
intransitiv, reif werden, maturescere.
1)
von sinnlichem wachsthum:
a)
in ursprünglichem sinne (vgl. reif 1), zur ernte reif werden: die saat, das getreide, die frucht reift; dann dichterisch der acker, das gefilde reift; die ernte reift: gif đu mâge, dô þæt sunne scîne, þæt đîne æceras rîpion. Älfric hom. 2, 104;
Than is allaro akkarô gihwilîk
gerîpôd an thesemu rîkea.
Hel. 2593;
das korn begonde rîfen.
zeitschr. für deutsches alterth. 16, 191, 929;
laszt uns, in dieser schönen zeit, um unsern schöpfer zu erheben,
uns auf das reifende gefilde, wo nutz und lust vereint, begeben!
Brockes 6, 92;
nun reifen fremde saaten für ihn.
Stolberg 2, 105;
jedem reift die gemeine saat.
Mastalier ged. 144;
wie im winter die saat nur langsam keimet, im sommer
lebhaft treibet und reift, so war die neigung zu dir.
Göthe 1, 395;
diese felder sind unser, sie reifen zur morgenden ernte.
40, 319;
die traube die reifft.
Klaj bei Wackernagel leseb. 2³, 515ᵃ;
sie brachte blumen mit und früchte,
gereift auf einer andern flur.
Schiller 11, 197;
doch immer reift von innen
und schwillt der braune kern.
Göthe 5, 174;
o anblick, der mich fröhlich macht,
mein weinstock reift und Doris lacht.
Hagedorn 3, 93;
am geländer reifen
pfirsiche, mit streifen
roth und weisz bemalt.
Salis bei Wackernagel leseb. 2³, 1263;
mein hertz frewet sich uber jr, als wenn die drauben reiffen. Sir. 51, 20; zum saamen reyffen, wenn man ein ding so lang laszt reyffen, das auch der saamen reyff wirdt. Maaler 331ᵇ; die trauben reifen an der sonnen fein durch; die erdbeeren reifen geschwinde. Stieler 1584; für seine scheere und nadel reift die hanfpflanze, der flachs und die baumwollenstaude. Hebel 3, 199; auf Petri und Pauli bricht dem korn die wurtzel, und reiffet hernachmahls tag und nacht. Gräsze jägerbrevier² 88; die ähren waren gereift und der herbst begann die blätter zu färben. Freytag ahnen 5, 225. im bilde, christlich, die gestorbenen sind gottes saat, sie reifen zur auferstehung:
was hier (auf erden) gekeimt, das reiffet dort.
o du gefilde, wo der unsterblichkeit
diesz leben reift.
Klopstock 1, 87;
saat von gott gesät
dem tage der garben zu reifen!
11, 95;
saat von gott gesät zu reifen
auf der garben groszen tag.
Rückert 1, 76;
einst reift die saat: mein staub ersteht
zu Jesu Christi leben.
Klopstock 7, 261;
an eine mutter, deren kind gestorben:
der schmerz ist dahin, die blume der freude
reifet zu ewiger frucht!
Stolberg 2, 86.
auszerhalb der besonderen christlichen anschauung:
freue dich, vater! — im herrlichen jungen,
wenn einst die schlafenden keime gereift.
Schiller 1, 107;
kommt
die zeit, so reifen auch die spätsten früchte.
jungfrau von Orleans 3, 2;
und welkt die blüthenhülle weg,
dann steig' aus deinem busen
die volle frucht,
und reife der sonne entgegen.
Göthe 2, 180;
ein tag der gunst ist wie ein tag der ernte:
man musz geschäftig seyn sobald sie reift.
9, 210;
und dann, wo mir (Atropos) gerechte ernten reifen,
in offner feldschlacht, in bedrängten vesten.
11, 335;
vor allen blüten (des lebens) steh' ich fern und schaudre,
als würden sie von einem hauch verdorren
und nie zu labungsvollen früchten reifen.
A. W. Schlegel in Wackernagel leseb. 2³, 1338;
des lebens blüte reift im tode.
Geibel 3, 189;
jetzt, wo die fahrt begonnen war, sah er die reifende frucht mühevoller arbeit durch einen einfall des kaisers verdorben. Freytag ahnen 3, 199; sprichwörtlich: was bald reift helt nicht steif. Schottel 1145ᵇ.
b)
von anderem körperlichem wachsthum (vgl. reif maturus 2, b, α), von der rinde und holze, den blättern der bäume und anderen theilen der pflanzen: wenn ein warmer herbst ist, so reiffet das weinholtz wol. Colerus 2, 25; mit gar schönen gras oder dickgrünen geederten oder reiffenden plettern. Thurneisser beschr. 3;
die blätter, welche gleichsam völlig ihr ziel erreichet, und gereift,
die werden heuer nicht, wie sonst, von sturm und winden abgestreift.
Brockes 8, 221;
ein geschwär reift, es entwickelt sich bis dahin, dasz es aufgeschnitten werden musz oder aufbricht; häute reifen in der lohe: wenn nun unsere lohgerber ein solches kapital hätten, um alle häute, welche jährlich in Ostfriesland und hiesigen gegenden fallen, anzukaufen, und solche die gehörige zeit von jahren über reifen lassen zu können, würde sodann nicht .. der vortheil so viel gröszer sein. Möser patr. phant. 1, 39;
im kühlen gewölbe
gährt ihr der kräftige kohl, und reifen im essig die gurken.
Göthe 1, 342;
in berges klüften, wo metalle
still reifen durch des feuers macht.
Kerner lyr. ged. (1847) 79;
scherzhaft: kein papier reift eiliger zur hülle des pfeffers, als das was schon vorher hülle von satirischem pfeffer gewesen. J. Paul grönl. proc. 2, 60.
c)
das leben des menschen bezeichnet unsere sprache als entwicklung zur blüthe, zur reife und wieder als welken bis zum verfall. daher wird reifen in mannigfacher beziehung von menschlichem bis zu einer gewissen vollkommenheit fortschreitendem gedeihen gebraucht. zunächst rein körperlich: die frucht im mutterleibe reift. dann besonders von der geschlechtsreife: der knabe reift zum jüngling, das mädchen zur jungfrau;
heilig soll das mädchen sein,
denn wir reifen uns entgegen.
Uhland ged. 12;
und frühzeitig gereift am strahle der milderen sonne
birgt die vollendete brust schon ein erwachend gefühl.
Geibel 4, 30;
als er zum jüngling nun gereift, und um
das kinn das zarte milchhaar angeflogen.
Schiller 6, 122;
dann allgemeiner die gesamte sowol körperliche wie geistige entwicklung umfassend:
wenn du zum manne gereift, wirst du die worte verstehn.
Schiller 11, 331;
der jüngling reifet zum manne;
besser im stillen reift er zur that oft, als im geräusche
wilden schwankenden lebens, das manchen jüngling verderbt hat.
Göthe 40, 270;
eh noch sein flaumig kinn der diener eingeseifet,
wird er ein voller kerl, im jägerkrug gereifet.
Voss 6, 174;
o ernste schule, drinnen männer reifen.
Freiligrath 3, 101.
2)
reifen auf das unsinnliche gebiet übertragen, sich bis zu einem gewissen grade entwickeln.
a)
das endziel der reifeentwicklung ist durch einen besonderen zusatz ausgedrückt, der gewöhnlich durch eine präposition, in dichterischer sprache auch im dativ angefügt ist. vgl. reif maturus 2, a:
o du gefilde, wo der unsterblichkeit
diesz leben reift, noch nie besuchter
acker für ewige zeit, wo bist du?
Klopstock 1, 87;
und er setzete sich auf die ruhestäte der todten,
senkt' in frohen gedanken, und wehmuthsvollen sein haupt: da,
ach da reift sie der auferstehung!
Mess. 17, 552;
jene worte des fluchs, die dem himmel des richtenden urtheil
kund thun, wenn dem vollen gericht nationen gereift sind!
7, 781;
als jetzt werdend der himmlische leib um die seele Maria's
noch arbeitete, ganz noch nicht zu lichte gereift war.
12, 689;
so schnell reift im pallast der erdegötter
zur ersten grösz' ein edler geist.
Mastalier ged. 24;
und eh' zur that die rache reife,
entsag' er seinem alten groll.
Stolberg 2, 96;
zum jüngsten tag fühl' ich das volk gereift,
da ich zum letztenmal den hexenberg ersteige.
Göthe 12, 213;
ein gedanke reift zur klarheit, eine ahnung zur gewiszheit: aber er (gott) will, dasz sie leben, leiden, sündigen und der strafe reifen. Klinger 3, 146; doch hat mich (gott) das menschengeschlecht verlassen, und reifet schnell dem verderben. 6, 35; dasz aber gefühlte schwäche leicht zum neid reift, ist natürlich. J. Paul grönl. proc. 1, 57; ich fühlte dasz es zu groszen ehren reife. Arnim schaub. 2, 188.
b)
reifen ohne nähere bestimmung, zu seiner vollkommenheit gelangen, sich vollenden:
sieh, er (gott) wartet, und läszt jahrhunderte reifen, und reifen
wird er noch lassen andre jahrhunderte!
Klopstock Mess. 12, 678;
bei mir reift wahrheit langsam;
doch reif bricht ihre wirkung schnell hervor.
werke 9, 146;
vielleicht reift in der götter rath schon lange
das grosze werk.
Göthe 9, 34;
wähntest du etwa,
ich sollte das leben hassen,
in wüsten fliehen,
weil nicht alle
blüthenträume reiften.
2, 80;
dasz ich sonder graun die thäler sehe,
wo die auferstehung reift.
Hölty 63 Halm;
disz kleine saamenkorn
soll in der zeiten reifender vollendung
mir schreklich aufgehn.
Schiller 5¹, 141;
lassen sie,
groszmüthig wie der starke, menschenglück
aus ihrem füllhorn strömen — geister reifen
in ihrem weltgebäude!
don Carlos 3, 10;
die idee
ist kühn, und eben darum, glaub ich,
gefällt sie mir. ich will sie reifen lassen.
4, 3;
es reiften meine jahre,
es gab mir jeder frühling
mehr zärtlichkeit und wünsche.
Hagedorn 3, 66;
sie warten nicht, bis ihr reifender verstand durch die erfahrung die gründliche einsicht erhält. Rabener sat. 1, 12; lieber herr graf, es reift keine seeligkeit unter dem monde. Schiller räuber 4, 2; im schoosze des überflusses und der freiheit reiften alle edleren künste. 7, 43; lasset reifen die groszen thaten des vaters. Klinger 2, 147; Ludwig der zwölfte war schon durch Alexanders vermittlung in Italien eingebrochen, und die Borgie sahen dadurch alle ihre anschläge reifen. 3, 236; verwahre den ring wohl, und schalte über die reifenden ereignisse nach freyem sinne. 7, 252; dasz grosze begebenheiten um uns her reiften. Arnim kronenw. 1, 383; du hast die güte, ... mir zu sagen, ob ich die ausgabe dieser arbeit beschleunigen oder sie noch einen sommer solle reifen lassen. Göthe in Böttigers lit. zust. 2, 152; es (das herz) will sein ideal auszer sich in körperlicher gegenwart, mit verklärtem oder angenommenem leibe erblicken, um es leichter zu erstreben, weil der hohe mensch nur an einem hohen reift. J. Paul Titan 1, 7; Buckingham .. war nicht durch die schule der erfahrungen gegangen, in der die geister reifen. Ranke engl. gesch. 2, 122; (der geist) der die reifende menschheit in höhere bahnen der entwicklung leitet. Becker weltgesch. 14, 398.
II.
in activer bedeutung, zur reife bringen. die ausbildung dieses transitiven gebrauches fällt erst in das 18. jahrh.; Maaler 331ᵇ. Stieler 1584. Steinbach 2, 248. Frisch 2, 104ᶜ verzeichnen ihn nicht, erst Adelung führt ihn an, doch als 'nur in der höheren schreibart gebräuchlich'. indessen sind die ansätze schon im ahd. vorhanden; vgl. Graff 2, 498; hd. riffen, nd. ripen, reyff machen, rijp maken maturare, festinare. Dief. 352ᵃ.
1)
in eigentlicher bedeutung, zur ernte reif werden lassen: die sonne reift das getreide, die trauben u. a.; können wir gereifte früchte vernachlässigen, verachten, ungenossen verfaulen lassen? Göthe 16, 79;
die sonne reifte das getrayde.
Brockes 7, 259;
er hebt mit dem halme die ähr' empor;
reifet den goldnen apfel, die purpurtraube.
Klopstock 2, 103;
sie (die sonne) strahlet wärme, tagesschein;
sie reifet korn und obst und wein.
Bürger 42ᵃ;
aber matt auf unsre zonen
fällt der sonne schräges licht,
nur die blätter kann sie färben,
aber früchte reift sie nicht.
Schiller 11, 388;
vom safte der traube:
dem, der rosen prangen hiesz
und den most der traube reifet, ..
immer, seele, opfr' ihm dank.
Leipziger alm. d. deutschen musen (1779) 270;
im bilde:
nun hat des südens heiszre sonne
die frucht der liebe schnell gereift.
Geibel ges. werke 1, 137;
wer, sturm verachtend, heiteres strals gewohnt,
hier weisheit knospet, schönheit und stärke reift,
der ragt von stern in stern verpflanzet
einst am krystallenen born des urlichts.
Voss 3, 94.
2)
in übertragener bedeutung, zu seiner vollkommenheit gelangen lassen; von der menschlichen entwicklung:
dahin, o kind, wenn einst in der rollenden jahre begleitung
dich das alter gereift, wende den strebenden sinn.
W. v. Humboldt werke 1, 387;
eine kurze nacht
hat meiner jahre trägen lauf beflügelt,
frühzeitig mich zum mann gereift.
Schiller don Carlos 5, 11;
man reifet das kind zu früh zum milchhaar des jünglings. Herder z. schön. lit. u. kunst 1, 135; ein gereifter mann, die gereiftere jugend; die natürliche überlegenheit gereifter jahre. Ranke werke 1, 275; der gereifte mann unter der aufblühenden jugend. Freytag verl. handschr. 2, 226;
wenn die freyheit,
die sie vernichteten, das einz'ge wäre,
das ihre wünsche reifen kann.
Schiller don Carlos 3, 10;
ein jegliches ding hat doch regeln,
die, der natur ablauschend, zur fertigkeit reifet die übung.
Voss Luise 1, 642;
(der graf von Northumberland) zog hierauf,
sein wachsend glück zu reifen, sich zurück
nach Schottland.
Shakesp. Heinrich IV. th. 2, 4, 1;
aber nun stelle man sich auch vor, ... dasz eine lange reihe von jahren seine tugend zu weisheit gereift hatte. Wieland 3, 226.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1890), Bd. VIII (1893), Sp. 629, Z. 6.

reifen, verb.

reifen, verb.
zerren, zupfen, mundartliche und zwar mitteldeutsche schreibung für räufen, reufen, die mitteldeutsche, umgelautete form von raufen (s. oben sp. 258). Weinhold mhd. gr.² § 128, usz reyffen vellere Dief. 609ᵇ, usz reiffen depilare 174ᶜ, conscido te capillis ich reyff dich. Alberus;
machstu uns ein infall,
so wollen wir dich reifen kal.
Liliencron hist. volksl. 1, s. 167, 233;
hanff rösten, rayffen und brechen.
Ayrer 3327, 15 Keller;
im dorfe wuszte man nur grausam mich (eine gans) zu reifen,
hier sucht mich manche hand liebkosend anzugreifen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1890), Bd. VIII (1893), Sp. 632, Z. 45.

verreifen, verb.

verreifen, verb.
reif sein:
sechs mahl, zähl' ich anders recht,
haben die verreifften saaten
an desz hundssterns gluht gebraten,
sechs mahl geust der wasser knecht
seinen krug nun auff die erden
und läszt alles winter werden.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1895), Bd. XII,I (1956), Sp. 1002, Z. 4.

verreifen, verb.

verreifen, verb.
kunstausdruck im hüttenfache, einen schacht verreifen, denselben mit reifen verzimmern. Veith 533.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1895), Bd. XII,I (1956), Sp. 1002, Z. 11.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
vernunftlicht versehrnisz
Zitationshilfe
„verreifen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/verreifen>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)