Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

zänkerei, zankerei, f.

zänkerei, zankerei, f.,
vom nomen agentis zänker gebildete ableitung, mit der bedeutung kleinlicher, häszlicher zank; die umlautslose form, welcher man in älteren obd. schriften begegnet, die aber auch in neueren werken auftritt und namentlich der volks- und umgangssprache nicht fremd ist, ist vom verbum zanken abgeleitet und drückt wiederholtes und darum lästiges zanken aus, vgl. auch die verbale (übrigens ungewöhnliche) construction des folgenden beleges: derweilen ging es bei der frau Malchen ganz kurios zu, immerwährend zankerei mit ihr und dem Julius Holtei erz. schr. 15, 175; derselbe sinn: derhalben er (der mönch) ... umb all sein narung mit geübter zanckerey sich selber vermutwilligte Kirchhof wendunmuth 1, 276 lit. ver. doch fehlt der begriff der wiederholung dem älteren gebrauch:
was zanckerey fangt ir da an
in meinem zimmer und gottshausz?
J. Ayrer 4, 2514, 34.
auch das früheste vorkommen, bei H. Sachs, läszt einen unterschied nicht erkennen:
treib nachred, zenck- und bulerey!
17, 418;
wo ist weh? wo ist laid und klag?
wo ist zanckerey uber tag?
19, 330 G.;
doch hebt sich, wie ein fall bei dem oben genannten v. Holtei lehrt, in der neueren sprache die bedeutung beider formen von einander ab: die politischen zänkereien (kleinliche streitigkeiten) wurden mir bald lästig Holtei vierzig jahre 1, 74; vgl. auch:
so komt Merkur zu der zänkerey,
als wär' er gerufen
schrift. d. Göthegesellsch. 7, 91;
lexikalisch als zänckerey zuerst bei Stieler (1691) 2598.
1)
den begriff des mäkelns, scheltens, vorwerfens, keifens mit tadelndem nebensinn enthaltend, zu zanken II 2 a gehörig; im gebiete des gesellschaftlichen verkehrs: ihr gantzer lebenslauf war nichts als zänckerey G. B. Hanke gedichte 1, 267; sie (die corporale) müssen observiren, wie eines jeden houmeur beschaffen, ob er zur zänckerey, zum sauffen, spielen oder huren inclinire v. Fleming d. vollk. teutsche soldat 123 § 5; warhafftig, er gibt dadurch zu erkennen, dasz sein gemüth unversöhnlich und nur mit zänkerey schwanger gehe Zendorius a Zendoriis (1682) 503; die mutter wolte mit der tochter ihre zänkerey anfangen, alswann sie dieses unheils ursach wäre A. H. Bucholtz Herkuliskus (1665) 993; verbunden mit stänkerei: sie (die cadetten) müszen sich befleiszigen, von allen stänckereyen und zänkereyen, unzüchtigen worten, ..., es habe nahmen wie es wolle, zu enthalten v. Fleming d. vollk. teutsche soldat 137 XI;
drum folgen sie mir lieber,
und stellen künftighin die zänkereyen ein
sammlung v. schauspielen (Wien 1764—69) 5, 70;
namentlich unter liebenden: ich seh' ja, was andre von ihren liebhabern haben. dürfen keinen schritt thun, so giebts zänkerey G. Stephani sämtl. singspiele 96, 14;
wärst du ein wenig minder frau von ehre
und rissest mir dafür die ohren nicht
mit deinen ew'gen zänkereien ab
H. v. Kleist 1, 227 E. Schm.
2)
wechselseitiger wortwechsel in lästiger, unschicklicher form; weitaus häufiger als die einseitige bedeutung auftretend; oft von dieser nicht scharf zu sondern; sowohl grobsinnlich wahrnehmbar als in litterarischen und gerichtlichen händeln zu beobachten: nicht selten entstand lärm und zänkerei H. Steffens was ich erlebte 3, 164; wenn sie mich bey sich hätten, würden wir eben so wenig ohne kleine zänkereyen auseinander kommen, als ehemals in Paris Gerstenberg schlesw. litbr. nr. 5 (lit.-denkm. 29, 46, 3);
und endlich ward die zänkerei
zur mörderlichsten prügelei
Hoffmann v. Fallersleben ges. schr. 4, 184;
Archenholz England u. Italien 1, 1, 170; die zänkereien der berauschten Fouqué gefühle, bilder 1, 238; so ein monsieur aber thut die dienste eines gensd'armes; er verhütet zänkereien. hat man aber einmal monsieur gesagt, kostet es mühe hinzuzufügen: vous êtes une bête, oder eine andere grobheit Börne schr. 5, 15; häufig vom verhältnis unter den geschlechtern: die gerichtsbarkeit der liebeshöfe erweiterte sich sehr schnell. sie erkannten über alle zänkereien der liebenden, über alles, was die galanterie betraf Avé-Lallemant gaunertum 3, 71 anm.; im bürgerlichen und gelehrten leben: wem es frei stehet, gewalt zu gebrauchen, der bekümmert sich viel um gerichtliche zänkereien Heilmann gesch. d. pelop. krieges 91; es sind mir die albernen geschichten von euern zänkereien schon entgegengekommen Fouqué altsächs. bildersaal 4, 676; zänckerey stiften altercationem facere, die sache ist ohne zänckerey beygelegt worden res sine contentione composita fuit Steinbach 2, 1070; wo stehen denn jene worte unmittelbar oder übernatürlich, die so viele zänkereyen veranlassen, in der bibel? K. L. v. Haller restaur. d. staatswiss. 1, 83; den unnöthigen untersuchungen, dem vielen disputieren und zänkereyen ein ende zu machen M. I. Schmidt gesch. d. Deutschen 5, 58;
ein weiser fürst verlacht die bittern zänkereyen,
die um ein hirngespinst die geistlichkeit entzweyen
L. A. Gottschedin briefe 2, 320 Runkel;
alle akademien sind sammelplätze der zänkereyen und kleinen intriguen Chr. F. Nicolai reise durch Deutschland 6, 403; kritische zänkereien Mos. Mendelssohn ges. schr. 4, 2, 354; gelehrte zänkerei Göthe werke 37, 265 W.; die neusten parlamentssitzungen haben die edelste politische haltung, wogegen sich die kleinliche zänkerei der Franzosen beschämt verkriechen sollte briefe d. brüd. Grimm an Benecke (1889) 160; unglaublich, wie viel hass und argwohn durch diese nachbarlichen zänkereien in Süddeutschland gesät wurde Treitschke deutsche gesch. 4, 363; Nushirvan nüzte diese auswärtigen zänkereyen, um sich gleich gross, als menschenfreund und als staatskundiger monarch zu zeigen A. G. Meiszner skizzen 3, 61. waren in den angeführten fällen die subjecte, wenn überhaupt, durch substantivische oder adjectivische attribute ausgedrückt, entsprechend der construction sie zanken sich (s. zanken II 2 b δ αα), so lebt die reciproke verbindung (s. ebda II 2 b γ) wohl in folgenden beispielen, wo sie jedoch auch aus einem verbalen ausdruck wie zank entsteht zwischen, unter abgeleitet werden kann, fort: was dieses gezänk (zwischen Ulysses und Irus) in der Odyssee ist, das sind die zänkereien zwischen Achilles und Agamemnon in der helden-Iliade Herder werke 3, 214; dafür sollte ich ... zänkerey zwischen mann und frau stiften theat. d. Deutsch. 9, 478; und dann kamen ewige zänkereien unter den weibern, anonyme briefe, verdeckte sticheleien H. v. Kahlenberg die familie Barchwitz 83; obgleich an sich denkbar, tritt durch die präposition mit doch nicht die einseitige thätigkeit, wenigstens in den litterarischen belegen nicht, zu tage, wie sie etwa in einem satze deine zänkereien mit dem diener müssen aufhören vorliegt; daher ist in den folgenden citaten die construction ich zanke mich mit (s. zanken II b ε) vorauszusetzen: es blitzte ihr plötzlich alles wieder auf daraus: die schöne jugendzeit, die wilden spiele und kindischen zänkereien mit Diana Eichendorf sämtl. werke 3, 373; die fouriere melden, dasz es zänkereien mit der einquartierung giebt W. Alexis Isegrim 1, 227; der gegenstand des streites wird durch die präposition über angefügt: wir sind weit entfernt, die litterarische fehde, die hr. Leszing mit hrn. Klotz führt, für eine blosze zänkerey über einige miszverstandne stellen im Laokoon anzusehen Gerstenberg recens. (d. lit.-denkm. 128, 289, 14); die sokratischen zänkereyen über die unzertrennlichkeit aller tugenden Heinse 3, 160 Schüdd.
3)
für den sreitgegenstand: auch hat Chloes gesind wol gethan, dass sie die zänckerey und strittigkeiten ... für den apostel Paulum gebracht Dannhawer catechismusmilch 2, 367.
4)
beachtenswerthe sinngruppen:
a)
attribute: ich und meine frau haben uns noch nie gestritten, ein paar recht freundschaftliche zänkereien abgerechnet Tieck schr. 7, 47; gemeine zänkereien Raumer gesch. d. Hohenst. 4, 53; andere adjectiva: läppisch Schiller 2, 384 G.; kleinlich Schleiermacher w. 1, 5, 85; kindisch v. Holtei erz. schr. 18, 164; gemein ebda 5, 55; häszlich Treitschke dtsche gesch. 5, 265; ewig ebda 4, 621.
b)
auf einen volksglauben hinweisend: ein traum von eyern bedeutet nach ihrer deutungskunst zänckerey die vernünftigen tadlerinnen 1, 259; dein kopf ist so voll zänkereyen wie ein ey voll dotter Shakespeare 1, 84; auch Göthe 9, 211 W.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1925), Bd. XV (1956), Sp. 245, Z. 12.

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Zitationshilfe
„zankerei“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zankerei>.

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