Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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zahnstocher, m.

zahnstocher, m.,
spitzes werkzeug zum entfernen von speiseresten aus den zähnen Adelung, dentiscalpium Steinbach 2, 711, zanstocher Stieler 2158, zahnstocher Corvinus fons latinit. (1646) 258. der plural ist in älterer sprache mehrfach als zahnstöcher bezeugt (belege unter 1), lautet heute aber durchweg dem sing. gleich. nebenform zahnstocker Kramer-Moerbeek deutsch-holld. wb. (1768) 429ᵇ. vgl. auch zahnstacher, -stecher, -sticher.
1)
auch in der lebenden sprache seit dem 17. jh. als bezeichnung des schon früher bekannten gegenstandes bezeugt, dessen sonstige benennungen es verdrängt (vgl. zahngrübel, zahnschaber, zähneschorer, zahnstecher, zahnstörer): auf den güldenen zahnstocher (einer dame) Fleming 1, 210, 4 Lappenberg; seine (des stachelschweins) stacheln sind gut zu zahnstöchern Forer Gesners thierb. (1669) 69ᵇ Horst; ich ... bin ... feste versichert, dasz sie, wenn die hoffnung des lobes sie nicht zum schreiben reizte, zahnstöcher aus ihren federn machen ... würden Liscow (1739) 454; für einen so galanten cavalier, als der gnädige herr sind, sehen sie hier nicht nur nützliche, sondern sogar nothwendige dinge, gold- und silberne tabacksbüchsen, uhren, bestecke ..., uhrketten, zahnstöcher, nadelbüchsgen Petrasch lustsp. (1765) 2, 31; ich verwandelte ihn (einen zwerg) in einen elfenbeinernen zahnstocher Wieland 1 (1853), 45; wenn mein vater redete, ... hatt' er jederzeit was in der hand, messer, scheere, ein buch, ... einen zahnstocher Hippel lebensl. 3, 1, 299; ich habe heute wieder so einen dummen auftritt gehabt (mit der geliebten), über einen dummen zahnstocher, das nicht der mühe wert war Göthe IV 1, 118, 20 Weim.; Wenzeslaus. aber ... aber ... aber (reiszt ihm den zahnstocher aus dem munde.) was ist denn das da? ... das zähnestochern ist ein selbstmord Lenz 1, 46 Tieck; dasz man einen zahnstocher, womit uns ein andrer ausgeholfen, ihm nicht, wenn wir ihn gebraucht haben, wiedergeben dürfe Knigge umgang m. m. 1, 95; zahnstocher und seife (nach dem mahl erbeten im orient) Rückert 11 (1882), 262; freilich ist er ein von elfenbein geschnitzter zahnstocher Gaudy 10, 43; es handelte sich um einige zahnstocher, ohrlöffel, bartbürsten Gutzkow 6, 295; meine mutter hatte die gewohnheit, zündhölzchen als zahnstocher zu gebrauchen Rosegger I 9, 19.
2)
die kleinheit des geräths wird betont in den folgenden wendungen: er sieht eine thurmspitze für einen zahnstocher an Lichtenberg verm. schr. 3, 39; nicht an die hörner des monds, aber doch hoch genug (kann man dich hängen), dasz du den galgen für einen zahnstocher ansehen sollst Schiller 3, 28 G. dasselbe wird auch sonst in vergleichen hervorgehoben: es wäre, wenn ich's euch durch ein gleichnisz begreiflich machen soll, gerade so, als ob man einem riesen zumuthen wollte, zahnstocher zu schnitzeln journal v. Tiefurt 48 v. d. Hellen; so das sackermentische mädel nicht auch capabel sei, griechisch zu lernen über nacht, ehe noch der hahn krähte, dann wolle er sein ganzes haus in stücke schneiden, nicht gröszer wie ein zahnstocher Holtei erz. schr. 6, 99; wiewol er seines gleichen unter zwei- und vierfüszigen geschöpfen nicht hatte, wir meinen rücksichtlich der länge, so sah er doch nur wie ein ganz kleiner zahnstocher aus Waiblinger Britten in Rom 44.
3)
in übertragener anwendung.
a)
von verzierungen an einem bauwerk: die zahnstocher (am Mailänder dom), die von auszen auf jedem pilaster mit einer figur vollends kommen, machen das werk so recht ygelborstig Heinse 7, 231 Schüddekopf.
b)
scherzhaft in der soldatensprache für lanze Horn 70.
c)
verächtlich von personen, die als klein, mager, schwächlich, unbedeutend oder unbeholfen gelten sollen: Faust (zu Fritzel) ... hölzerner zahnstocher! maler Müller 2, 179; ihr habt gut reden, ihr andern zahnstocher! ihr bohnenstangen! (ein dicker spricht) Göthe 9, 176, 96 Weim.; geh' her, und lasz dich anschau'n, du zahnstocher! du einen Tyroler züchtigen? Bäuerle kom. theat. 2, 1, 41; ihr ... zahnstocher, zeitungs-schreiber, zeloten, zeugdrucker, zitteraale, zwerge; — ihr sollt sehen, dasz ich mit euch fertig werden kann Börne 12, 209.
4)
name einer in der Levante, Südfrankreich und Spanien heimischen pflanze, der glattsamigen möhre, daucus visnaga, deren getrocknete doldenstrahlen als zahnstocher benutzt werden Nemnich 1, 1381, Dietrich lexicon d. gärtnerei u. botanik 3, 574. dazu zahnstocherbaum, m., der mastixbaum, pistacia lentiscus Pritzel-Jessen 289ᵇ, weil aus dem holz zahnstocher gemacht werden. zahnstocherbüchse, f., büchse für zahnstocher Campe: zahnstocher-büchsen, ... bestecke, etuis, ... förderte meine sorgfalt still zu tage Holtei 40 jahre 1, 235, in deminutivform: danke euch von hertzen vor die zwey artige calend(e)rger undt zahnstöcherbücksger Elisabeth Charlotte 6, 118; zahnstocherbüchslein, n., Kramer-Moerbeek deutsch-holld. wb. (1768) 429ᵇ. zahnstocherfabrik, f., werkstatt zur herstellung von zahnstochern: dasz Friedbert aus der erbschaft des vater Benno und aus seiner zahnstocherfabrik ... viel reichthum erworben hatte Musäus volksm. 2, 29 Hempel. zahnstocherschaft, f.: dasz sein herr es selbst unwahrscheinlich fand, dasz der (in einen zahnstocher verwandelte) grüne zwerg in so kurzer zeit seiner zahnstocherschaft entledigt worden seyn könnte Wieland 1 (1853), 122.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1925), Bd. XV (1956), Sp. 181, Z. 65.

zahnstochern, verb.

zahnstochern, verb.,
in den zähnen stochern, um sie von speiseresten zu befreien Campe, mit dem vorigen eng zusammenhängend, aber wohl nicht davon abgeleitet, vielmehr eine selbständige bildung (vgl. zahn II, 1, g, ζ) mit der nebenform zähnestochern. zunächst im substantivierten infinitiv: das zähnestochern ist ein selbstmord Lenz 1, 46 Tieck und im part. praes.: Fahlland trat zahnstochernd nach eingenommenem diner in das zimmer Gaudy 8, 134. aber auch als verbum finitum, reflexiv:
der arzt ...,
der sich hinter dem tuch zahnstocherte
Voss ged. 2 (1802), 225.
dazu zahnstocherer, m., der zahnstochert: man ... stocherte die zähne mit strohhalmen aus, erzählte, hörte, oder duselte ein ... mein meister und ich gehörten zu den zahnstocherern Rosegger I 9, 83; auch im sinne von zahnstocher, dentiscalpium bezeugt: zahnstocherer, zahnstörer, tandstooker Kramer hoch-nd. wb. 2 (1719), 273ᵃ. zanstocherung, f.: zanstocherung, dentium purgatio ossiculi cuspide Stieler 2158.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1925), Bd. XV (1956), Sp. 183, Z. 6.

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Zitationshilfe
„zahnstochern“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/zahnstochern>.

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